Strategie Update: Oktober 2025
Bleib der Chef deines Denkens – Wie KI buchstäblich unser Gehirn verändert
RÜCKBLICK
DIE FINANZMÄRKTE IM SEPTEMBER
Die EZB hält zum Monatsbeginn nach acht Zinssenkungen seit Sommer 2024 den Einlagenzins konstant bei 2 Prozent – einem als neutral geltenden Niveau. Die Inflation liegt wieder bei der Zielmarke von 2 Prozent. Experten halten erstmals Zinserhöhungen statt weiterer Senkungen für realistisch. EZB-Direktorin Isabel Schnabel warnt, neue Zinserhöhungen könnten „früher kommen als viele glauben“. Auch weil es mehrere inflationäre Treiber gibt:
• US-Zölle auf EU-Importe wirken preistreibend
• Deutsches schuldenfinanziertes Investitionsprogramm stimuliert Wirtschaft
• Robuster Arbeitsmarkt und demografischer Wandel
• Steigende Preise bei Lebensmitteln und Dienstleistungen Die erste Zinssenkung in diesem Jahr vollzog hingegen die amerikanische Notenbank.
Die FED senkte die Zinsen um 0.25 Prozentpunkte auf 4 – 4.25. Die Entscheidung erfolgte einstimmig (11 von 12 Stimmen), wobei ein Trump-Verbündeter einen größeren Zinsschritt befürwortete. Die Wirtschaftsprognosen zeigen, dass die meisten FED-Führungskräfte mindestens zwei weitere Viertelpunkt-Senkungen bis Jahresende erwarten. FED-Chef Powell nannte es einen „Risikomanagement- Schnitt“, auch weil der Arbeitsmarkt weniger neue Stellen erschaffe (im August rund 22‘000) und der Arbeitsmarkt damit als höheres Risiko gelte als die Inflation –das FED ist eine der wenigen Zentralbanken mit einem Dual-Mandat. Nicht überraschend ist die Reaktion des amtierenden US-Präsidenten, welcher nach diesem Entscheid weitere Zinssenkungen fordert. Die bevorstehende Berichtssaison für das dritte Quartal 2025 steht im Zeichen des Optimismus.
Analysten erwarten für den S&P 500 ein Gewinnwachstum von 7.9% gegenüber dem Vorjahr – bereits das neunte Quartal mit positivem Wachstum. Besonders bemerkenswert: Die Gewinnschätzungen wurden während des Quartals nach oben korrigiert, von 7.3% Ende Juni auf aktuelle 7.,9%. Dies stellt eine Ausnahme dar, da Analysten ihre Prognosen normalerweise im Quartalsverlauf um 1.4 bis 3.,2% nach unten revidieren. Der Optimismus spiegelt sich auch in der Unternehmensführung wider. Mit 50% gaben ungewöhnlich viele S&P 500-Unternehmen positive Guidance für das Quartal ab – deutlich über dem Fünf-Jahres-Durchschnitt von 43%. Technologieaktien führen die Erwartungen an, mit einem prognostizierten Gewinnwachstum von 20.9%, getrieben von Schwergewichten wie NVIDIA, Apple und Microsoft.
Indes steigt Gold von einem Allzeithoch zum nächsten. Experten sehen den Goldpreis als Warnsignal vor einer sich verschärfenden globalen Schuldenkrise. Sowohl Zentralbanken als auch ETF-Investoren treten als aggressive Käufer auf. Gold-ETFs verzeichneten vier Wochen in Folge Zuflüsse, wobei allein im September fast 100 Tonnen zuflossen – das schnellste Wachstum seit April. Hedgefonds halten mit USD 73Mrd. Rekord- Long-Positionen. Der eigentliche Treiber liegt jedoch tiefer: Seit der Pandemie häufen große Volkswirtschaften dramatisch Schulden an und deren Staatsanleihen gelten nicht mehr als sicherer Hafen. Trumps Streit mit der FED und die drohende US-Regierungsschließung verstärken die Unsicherheit. Auch unabhängige Zentralbanken wie die EZB geraten in die Kritik. Deren Anleihekaufprogramme werden als indirekte Staatsfinanzierung gesehen, die Probleme nur verschiebt, statt sie zu lösen.
AUSBLICK
DAS ZINSSENKUNGSPARADOX: WARUM DIE AMERIKANISCHE GELDPOLITIK NACH HINTEN LOSGEHEN KÖNNTE
Die Zinszyklen der Zentralbanken könnten aktuell nicht unterschiedlicher sein. Während die amerikanische Notenbank die Zinsen in diesem Monat zum ersten Mal seit Jahresbeginn gesenkt hat, sind die Leitzinsen in der Schweiz und Europa seit längerem unverändert geblieben. In Japan wurden die Zinsen seit Jahresbeginn sogar einmal erhöht. Diese Divergenz soll nach Ansicht der Marktteilnehmer bestehen bleiben. In den Terminkontrakten (Swaps und Futures) zeigt sich, dass die Märkte für die nächsten 12 Monate keine Zinsanpassungen in der Schweiz und Europa erwarten. Anders in den USA: Dort rechnen die Marktteilnehmer mit mehr als fünf Zinssenkungen.
Eine aggressive Erwartung, wenn man bedenkt, dass selbst die amerikanische Zentralbank so gespalten ist wie selten zuvor. Von den 19 Mitgliedern – wovon 12 stimmberechtigt sind – erwarten sieben Mitglieder keine Zinsveränderung mehr bis zum Jahresende, elf erwarten zwei weitere Zinssenkungen und ein Mitglied erwartet sogar fünf Zinssenkungen. Letzteres ist Steve Miran, Trumps engster Verbündeter innerhalb der Fed. Immer mehr Investoren hinterfragen die Unabhängigkeit der Fed. Powell wird regelmäßig von Präsident Trump in den sozialen Medien angegriffen. Auch andere Mitglieder wie Lisa Cook versucht die Trump-Administration aus dem Board of Governors zu drängen. Dieses besteht aus sieben Mitgliedern und muss die zwölf regionalen Fed-Präsidenten bestätigen, deren Amtszeit im Februar 2026 verlängert werden muss. Von diesen zwölf Präsidenten sind fünf stimmberechtigt im FOMC, welches die Zinsentscheidungen trifft. Wird Powell als unabhängig betrachtet, haben Republikaner und Demokraten aktuell gleich viele Mitglieder im Board of Governors.
Ein weiterer Trump-Anhänger im Board könnte dazu führen, dass die Trump-Regierung versucht, die Wahl der lokalen Fed-Präsidenten zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ein weiteres Risiko stellt die weiterhin hartnäckige Inflation in den USA dar. Seit nunmehr 54 Monaten liegt die Inflationsrate über dem Zielwert der Währungshüter von rund 2%. Mit dem jüngsten Zinsentscheid soll der Arbeitsmarkt gestützt und damit die Wirtschaft stimuliert werden. Sollten weitere Zinssenkungen folgen, steigen die Risiken einer Wirtschaftsüberhitzung und damit die langfristigen Inflationserwartungen. Dies könnte eine Reihe negativer Effekte auslösen: Die langfristigen Zinsen würden ansteigen statt sinken. Da Hypotheken in den USA größtenteils auf 30-jährige Zinsen fixiert werden, steigen für viele die Hypothekarkosten. Dies könnte die fragile Konsumentenstimmung weiter schwächen. Kurz gesagt: Die Wirtschaft könnte Probleme bekommen, obwohl die Fed sie eigentlich stimulieren wollte.
Sichere Anlagen wie der Schweizer Franken dienen als Zufluchtsort. Seit Jahresbeginn musste der USD gegenüber dem Franken eine deutliche Abwertung verzeichnen. Die Unsicherheit bleibt bestehen: So übertrafen Investitionen in währungsgesicherte amerikanische Aktien- und Anleihen-ETFs zum ersten Mal seit 2021 jene in nicht währungsgesicherte Bestände. Von einem Zusammenfall des USD oder wie in den Medien immer wieder zu lesen von De-Dollarization scheint verfrüht. Auch weil die Marktkapazität sicherer Anlagen wie Gold, Eidgenossen, Bunds, GILTS, Bitcoin usw. bei weitem nicht ausreicht, um den USD zu ersetzen.
FOKUS
BLEIB DER CHEF DEINES DENKENS – WIE KI BUCHSTÄBLICH UNSER GEHIRN VERÄNDERT
ChatGPT dominiert mit 46,59 Milliarden Anfragen und fast 50% Marktanteil den KI-Boom – doch neue Hirnstudien enthüllen einen schockierenden Preis. 83% der ChatGPT-Nutzer können sich nicht an Sätze erinnern, die sie Minuten zuvor selbst geschrieben haben, während ihre Gehirnkonnektivität um 47% abnimmt. Was als effiziente Arbeitshilfe beginnt, wird zur „kognitiven Verschuldung“ mit dramatischen Folgen für unser Denkvermögen.
CHATBOOTS – NUTZUNG
In den letzten 3 Jahren sind Anwendungen rund um die künstliche Intelligenz immer populärer geworden. Immer mehr Leute verwenden KI resp. Chatboots in ihrem Alltag. Chatboots helfen einem bei der Bewältigung von Aufgabenstellungen auf der Arbeit aber auch im Privaten. Laut neusten Zahlen von onelittleweb welche über den Zeitraum von August 2024 bis Juli 2025 erhoben wurden, ist ChatGPT der mit Abstand am meisten verwendete Chatboot. ChatGPT hat einen Marktanteil von rund 48.4% und verzeichnete über diesen Zeitraum 46.59 Mrd. anfragen. Der durchschnittliche Nutzer verbrachte dabei rund 15:25 Minuten auf der Chatboot Plattform. Hinter ChatGPT sind die Marktanteile mehr oder weniger ähnlich verteilt.
Mit einem Marktanteil von 1.74% folgt auf ChatGPT der Chatboot Grok, danach folgen Gemini, Claude, Deepseek, Perplexity und Microsoft Copilot. Fairerweise gilt es zu beachten, dass die grossen Tech-Giganten wie Alphabet oder Microsoft ihre Chatboots erst in den letzten Monaten intensiv in ihre Hauptprodukte integriert haben. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich die Marktanteile im folgenden Jahr nochmals ändern könnten.
KONTRAST
Eine grosse internationale Studie der Universität Toronto mit über 23.000 Teilnehmern aus 21 Ländern offenbart dramatische regionale Unterschiede bei der Einstellung zu Künstlicher Intelligenz. Während China, Indien, Indonesien und Kenia durchweg hohe AI-Nutzung und -Vertrauen zeigen, rangieren westliche Länder wie USA, Kanada, Deutschland und Großbritannien konstant am unteren Ende. Bei ChatGPT nutzen 70% der Kenianer die Technologie, aber nur 25% der Japaner.
Ausgerechnet in AI-optimistischen Ländern herrschen die größten Jobverlust-Sorgen. 75% der Inder erwarten, in den nächsten zehn Jahren durch Maschinen ersetzt zu werden – trotz ihrer grundsätzlich positiven AI-Einstellung. Global fürchtet mehr als die Hälfte um ihren Arbeitsplatz.
Während AI für medizinische Diagnosen (59% Zustimmung) oder Urlaubsplanung akzeptiert wird, herrscht tiefes Misstrauen bei persönlichen Entscheidungen. Nur 25% würden AI bei der Partnersuche vertrauen, 77% bestehen auf menschliche Richter bei Bewährungsentscheidungen. Tech-Konzerne gelten als beste AI-Regulierer, doch nur jeder Fünfte traut ihnen Selbstregulierung zu. Die Hälfte der Befragten befürchtet sogar, AI könnte „katastrophale Ereignisse“ verursachen. Die Studie zeigt: AI-Akzeptanz ist weniger eine technische als eine kulturelle Frage.
AUSWIRKUNGEN AUF UNSER HIRN
Neben der Nutzung und Akzeptanz in Bezug auf AI ist die eine weitere wichtige Frage die, ob AI unser Gehirn beeinflusst und damit unsere Denkweise verändert. Mittlerweile gibt es zu dieser Fragestellung einige Studien wie jene vom MIT mit 54 Teilnehmern («Your Brain on ChatGPT: Accumulation of Cognitive Debt when Using an AI Assistant for Essay Writing Task») oder eine britische Studie mit 666 Teilnehmern («AI Tools in Society: Impacts on Cognitive Offloading and the Future of Critical Thinking»). Bevor wir die Resultate betrachten gilt es festzuhalten, dass die langfristigen Effekte von AI auf unser Gehirn noch nicht in vollem Umfang sichtbar sein können und die Studien nicht über genügend Teilnehmer verfügten, um als statistisch relevant gelten zu können.
Die Untersuchung der SBS Swiss Business School ergab eine starke negative Korrelation zwischen häufiger KINutzung und kritischen Denkfähigkeiten (r = -0,68). Besonders betroffen sind junge Menschen zwischen 17-25 Jahren, die sowohl die höchste KI-Abhängigkeit als auch die niedrigsten Werte beim kritischen Denken aufweisen. Der entscheidende Mechanismus ist das sogenannte „Cognitive Offloading“ – die Auslagerung von Denkprozessen an KI-Systeme. Die Studie zeigt: Je mehr Menschen kognitive Aufgaben an KI delegieren, desto schwächer werden ihre eigenen analytischen Fähigkeiten. Diese „kognitive Verschuldung“ führt zu einem Teufelskreis: Weniger eigenständiges Denken macht noch abhängiger von KI-Tools.
Diese Erkenntnisse decken sich mit der EEG-Studie „Your Brain on ChatGPT“, die über vier Monate hinweg schwächere Gehirnkonnektivität bei ChatGPT-Nutzern nachwies. Teilnehmer zeigten nicht nur schlechtere neuronale Vernetzung, sondern konnten sich auch weniger an ihre eigenen, gerade verfassten Texte erinnern. Ein Hoffnungsschimmer: Höhere Bildung wirkt als Puffer gegen diese Effekte. Menschen mit Hochschulabschluss zeigen trotz KI-Nutzung bessere kritische Denkfähigkeiten und hinterfragen eher KI-Empfehlungen. Die britische Studie ergab signifikante Unterschiede zwischen Bildungsgruppen – Teilnehmer mit höheren Abschlüssen engagierten sich deutlich mehr in tiefgreifenden Denkaktivitäten. Qualitative Interviews mit 50 Teilnehmern offenbarten besorgniserregende Muster. Ein Teilnehmer berichtete: „Ich benutze KI-Tools für fast alles – ob ich ein Restaurant suche oder schnelle Entscheidungen bei der Arbeit treffe. Es spart Zeit, aber ich frage mich, ob ich meine Fähigkeit verliere, Dinge so gründlich zu durchdenken wie früher.“
Besonders Teilnehmer mit geringerer Bildung zeigten sich besorgt über ihre Abhängigkeit: „Ich nutze KI, weil es alles vereinfacht, aber manchmal habe ich das Gefühl, meine eigenen Problemlösungsfähigkeiten zu verlieren.“
HERAUSFORDERUNGEN
Die Forscher warnen vor unbedachter KI-Integration in Schulen und Universitäten. Statt KI zu verbieten, fordern sie eine Balance: KI-Tools sollen Effizienz steigern, aber nicht das eigenständige Denken ersetzen. Bildungseinrichtungen müssen verstärkt Aktivitäten fördern, die tiefes, analytisches Denken erfordern. Eine Random-Forest-Regression-Analyse der britischen Studie bestätigte, dass KI-Nutzung der stärkste negative Prädiktor für kritisches Denken ist, gefolgt von kognitiver Auslagerung. Das Modell erklärte 37% der Varianz in den kritischen Denkfähigkeiten.Beide Studien kommen zum gleichen Schluss: KI-Tools machen zwar produktiver, können aber langfristig die menschliche Intelligenz untergraben. Die Mediation durch kognitive Auslagerung ist dabei der Schlüsselmechanismus. Die Herausforderung besteht darin, die Vorteile der KI zu nutzen, ohne dabei die fundamentalen kognitiven Fähigkeiten zu opfern, die uns zu kritisch denkenden Menschen machen.
FAZIT
Drei Studien zeichnen ein beunruhigendes Bild: KI-Tools wie ChatGPT verändern still und heimlich unser Gehirn – und nicht zum Besseren. Doch es gibt Hoffnung. Die MIT-Forscher fanden einen Ausweg: Nutze KI als Editor, nicht als Ersatz. Wer zuerst selbst denkt und KI erst später zur Verbesserung einsetzt, behält starke Gehirnaktivität und bessere Erinnerung. Der Schlüssel liegt in der Reihenfolge: Eigene Gedanken entwickeln, dann KI zur Unterstützung hinzuziehen.
Unser Gehirn kennt dieses Phänomen bereits: Wir erinnern uns schlechter, wenn wir tippen statt Handschreiben, Fotos machen statt bewusst hinschauen, oder blind dem Navi folgen. Jedes Mal, wenn wir eine kognitive Aufgabe auslagern, verlieren wir ein Stück unserer mentalen Fitness.
Die drei Studien liefern eine klare Botschaft: KI kann uns produktiver machen, aber der Preis ist hoch. Wenn wir unser Denken zu früh abgeben, verändern wir buchstäblich unser Gehirn. Die Herausforderung der KI-Ära besteht nicht darin, effizienter zu werden – sondern dabei intelligent zu bleiben.
Die Lösung ist simpel, aber schwer umzusetzen: Bleib der Chef deines Denkens. Nutze KI als mächtiges Werkzeug, aber lass es nie das Steuer übernehmen. Denn am Ende entscheidet nicht die KI über unsere Zukunft – sondern wie bewusst wir mit ihr umgehen.

