Strategie Update: Mai 2025
Big Picture –Zölle im Fokus: Was Investoren über Ursachen, Geschichte und aktuelle Geopolitik wissen müssen
RÜCKBLICK
DIE FINANZMÄRKTE IM APRIL
Der «Tag der Befreiung» oder auch «Liberation Day» wird wohl in die Geschichtsbücher eingehen. An diesem 2. April verkündete der amtierende US-Präsident Donald Trump die Einführung von neuen umfangreichen Zöllen für alle Handelspartner der USA. Zu Beginn galten für alle Länder «Grundzölle» in der Höhe von 10% auf alle in die USA exportierten Güter. Für jene Länder mit einem grossen Handelsbilanzüberschuss zu den USA, dazu zählt auch die Schweiz, führte die US-Regierung länderspezifische Zölle ein. Bezeichnend für das aktuelle Chaos ist die kommunizierte Formel, an welcher sich die Höhe der Zölle ableiten lässt. Vereinfacht bestimmt diese Formel die Zölle folgendermassen: Das Handelsdefizit der USA mit einem bestimmten Land wird durch die Gesamtexporte dieses Landes in die USA geteilt und dann halbiert. Doch wieso sind die Zölle nur halb so hoch? Trump sagte dazu folgendes: «Wir sind gute Menschen.» Für die Schweiz stellt sich zudem die Frage, welche Güter die US-Regierung in die Berechnung der Importe und Exporte integriert hat und welche nicht. Nimmt man die gesamte Handelsbilanz, so wären die Zölle für die Schweiz bedeutend kleiner – das meistexportierte Gut in die USA ist Gold: Die Schweiz verarbeitet rund 50-70% der weltweiten Goldproduktion zu Barren. Gegenreaktionen aus China liessen nicht lange auf sich warten. China führte ebenfalls Zölle auf US-Importe ein in demselben Ausmass, wie dies die Amerikaner taten. Massnahmen führten zu Gegenmassnahmen und dies eskalierte in einem regelrechten Handelskrieg. Das vorläufige Endresultat: Amerika erhebt 145% Zölle auf chinesische Güter und China erhebt 125% Zölle auf US-Güter – auf einzelne Güter werden ganz Exporte gänzlich verboten, andere unterliegen tieferen Zöllen. Das selbst der amerikanische Präsident einen «Boss» hat, zeigte sich Mitte April.
Innerhalb von wenigen Stunden stiegen die 30-jährigen Zinsen von US-Staatsanleihen von 4.6% auf 5% an, gleichzeitig verlor der Dollar Index stark an Wert – ein Zeichen dafür, dass Anleiheinvestoren das Vertrauen in die US-Regierung zu verlieren drohten. Falls dieser Trend sich verstärkt hätte, wäre die Stabilität des Finanzsystems gefährdet gewesen. Trump sah sich dadurch gezwungen die zuvor bekanntgegebenen Zölle für 90-Tage «auf Eis» zu legen. Für weitere Unsicherheit sorgte der öffentliche Disput zwischen Trump und Jerome Powell, dem Präsidenten der US-Notenbank. Powell verkündete für Investoren gleich mehrere schlechte Nachrichten. Die US-Wirtschaft sei zwar noch in einer „soliden Lage“, doch er sehe Anzeichen dafür, dass sich das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal verlangsamt habe. Und diese Entwicklung dürfte anhalten. Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump würde dazu führen, dass die Inflation und die Arbeitslosenquote steigen werden, so Powell. Damit würde sich die Fed für den Rest des Jahres von ihren Zielen entfernen müssen. Zur Erinnerung: Die USNotenbank hat ein Dualmandat, für eine Inflationsrate von etwa zwei Prozent zu sorgen, genauso wie für Vollbeschäftigung. Trump kritisierte Powell daraufhin mehrfach und wollte ihn als Präsidenten ersetzen. Marktteilnehmer sehen in diesem persönlichen Angriff einen Angriff auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank. Auf der IWF-Frühjahrstagung wurde deutlich, dass die USA die Weltwirtschaft nicht nur mit ihrer Zollpolitik belasten. Hinzu kommen weitere Sorgen: etwa die USRekordschulden, aber auch Spekulationen über einen Rückzug der USA aus IWF und Weltbank sowie die Unberechenbarkeit der US-Regierung. Der IWF kürzte zudem die globalen Wachstumsaussichten um 0.8% auf rund 2.8% für das aktuelle Jahr – dies stellt die grösste Reduktion ausserhalb von Krisen dar.
FOKUS
BIG PICTURE – ZÖLLE IM FOKUS: WAS INVESTOREN ÜBER URSACHEN, GESCHICHTE UND AKTUELLE GEOPOLITIK WISSEN MÜSSEN
Gemeinsam mit Christian Gerlach von Tavis Capital ordnen wir die aktuellen Geschehnisse im Kontext der Finanzhistorie ein. Weiter beleuchten wir mögliche Einflüsse auf die Inflation und das Wachstum, sowie den US-Dollar. Zum Abschluss zeigen wir auf, dass es selbst in diesen unbeständigen Zeiten Opportunitäten gibt. Nach nur wenigen Wochen im Amt krempelt die Trump Regierung die Jahrzehnte alte Weltordnung um. Die angedrohten Zölle sind gravierend, doch nur Symptom eines seit Langem bestehenden Problems. Der Fokus von Investoren sollte auf den tieferen Ursachen liegen, die diese neue Politik drastischer Handelsschranken überhaupt begründen. Gerade in unsicheren Zeiten hilft der Blick aufs große Ganze, um einen klaren Kopf zu bewahren.
WARUM ERWÄGT DIE USA HANDELSSCHRANKEN
Die US-Zölle sind Ausdruck tieferliegender globaler Ungleichgewichte. Das zentrale Problem besteht darin, dass die geopolitischen Verteidigungsbündnisse der USA erhebliche Kosten verursachen. Die USA erwirtschaften zwar 25% des Welt-BIP, tragen aber 40% der weltweiten Militärausgaben, während Verbündete wie Europa und Japan unter dem US-Schutzschirm Sozialprogramme priorisieren.
Dieses über Jahrzehnte gewachsene Arrangement ist für die USA angesichts der neuen strategischen Partnerschaft zwischen China und Russland zur aktiven Schwächung des Westens sowie der explodierenden US-Staatsverschuldung fiskalisch aber nicht mehr tragbar – unabhängig davon, wer im Weißen Haus regiert. Die überfällige Neuausrichtung der US-Militärstrategie verfolgt das Ziel, die militärischen Lasten gerechter zu verteilen und zugleich die Glaubwürdigkeit sowie die Abschreckungsfähigkeit des Westens wiederherzustellen. Problematisch ist jedoch, dass die Trump- Regierung diese notwendige strategische Anpassung mit einer undifferenzierten Zollpolitik vermengt, wobei China auf beiden Ebenen als Hauptgegner im Fokus steht. Die aktuellen US-Zölle sind daher nicht bloß isolierte protektionistische Maßnahmen, sondern Ausdruck des Versuchs, eine grundlegende wirtschaftliche und sicherheitspolitische Reform in einem zunehmend geopolitisch herausfordernden Umfeld umzusetzen.
Trump betrachtet Zölle aber fälschlicherweise als Instrument zur „wirtschaftlichen und geopolitischen Unabhängigkeit“ in einem Nullsummenspiel: Handelsbilanzüberschüsse gelten ihm als Stärke, Defizite als Schwäche. Tatsächlich ermöglicht erst der freie Welt-handel, dass privater Konsum rund 70% der USWirtschaftsleistung ausmacht. Viele Produkte werden in Ländern mit niedrigeren Kosten hergestellt und in die USA importiert, was zum amerikanischen Handelsdefizit führt. Die USA importieren mehr, als sie exportieren – ein Ungleichgewicht, das sich in einer Verschuldung der USA und einer Abhängigkeit von “Gläubigern” wie China äußert.
Das globalisierte Handelsmodell, in dem China als weltweites Produktionszentrum und die USA als Konsumzentrum fungieren, ist angesichts der wachsenden US-Staatsverschuldung und der sich dramatisch verändernden sicherheitspolitischen Lage des Westens gegenüber China und Russland aber nicht mehr tragfähig. Statt jedoch gezielt auf China einzuwirken, um globale Ungleichgewichte zu erzwingen und den Westen als geschlossene Freihandelszone gegenüber China zu positionieren, verfolgt Washington nun eine undifferenzierte, nationalistisch geprägte Politik wirtschaftlicher Abschottung durch umfassende Zölle.
Trumps Wunschtraum besteht darin, mit diesen maximalen Zöllen sämtliche Probleme gleichzeitig zu lösen: die US-Industrie und Militärproduktion zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern, die Importabhängigkeit deutlich zu verringern, die hohe Staatsverschuldung durch Zolleinnahmen zu senken, die Verbündeten zu höheren Verteidigungsausgaben zu bewegen und China wirtschaftlich zu schwächen. Die Realität zeigt jedoch, dass dieser Ansatz den tiefgreifenden strukturellen und geopolitischen Herausforderungen nicht gerecht wird. Das Risiko besteht darin, dass Washington mit seiner kurzsichtigen Zollpolitik weder die fiskalischen noch die sicherheitspolitischen Kernprobleme der USA löst, sondern diese im Gegenteil noch verschärft. Hinzu kommt, dass die westliche Bündnisarchitektur durch diese Politik nach-haltig geschwächt werden könnte und sich die Lastenverteilung im Westen langfristig zu Ungunsten der USA verschiebt.
Trotz dieser Risiken ist bereits heute absehbar, dass Zölle lediglich ein kleines Element in einem weitaus umfassenderen Prozess der globalen geopolitischen Neuordnung sind. Die aktuellen Handelskonflikte spiegeln einen fundamentalen und zugleich gefährlichen Wandel der internationalen Ordnung wider, bei dem wirtschaftliche Interessen, Machtverschiebungen und sicherheitspolitische Rivalitäten zunehmend ineinandergreifen. Solche geopolitischen Übergangsphasen bergen zahlreiche Risiken.
DIE HISTORISCHE BEDEUTUNG VON ZÖLLEN
Die Geschichte zeigt eindrücklich, wie schnell Handelskriege eskalieren können: Aus einem Zollkrieg kann rasch ein Kapitalkrieg entstehen, der schließlich in einen militärischen Konflikt münden kann. Historisch betrachtet ist der Einsatz von Zöllen als machtpolitisches Instrument eher die Regel als die Ausnahme. Friedliche Phasen, in denen der Freihandel dominiert, sind in der Menschheitsgeschichte selten geblieben. Handelskonflikte bergen somit stets die Gefahr, sich zu verschärfen und weitreichende geopolitische Folgen auszulösen. Tatsächlich rückt uns Trumps aktuelle Handelspolitik wieder näher an die Logik des 17. Jahrhunderts heran. Nach 1650 verfolgten die europäischen Staaten im Rahmen des Merkantilismus erstmals systematisch das Ziel, ihre nationale Wirtschaftskraft durch staatliche Eingriffe zu stärken: Mehr Exporte als Importe, Anhäufung von Gold, Schutzzölle, Einfuhrverbote, Subventionen für die heimische Wirtschaft und eine aktive Kolonialpolitik zur Sicherung günstiger Rohstoffe standen im Zentrum. Wirtschaftliche Macht, staatliche Kontrolle und militärische Stärke waren eng miteinander verknüpft – Krieg und Wirtschaft bildeten eine unauflösliche Einheit.
Erst im 19. Jahrhundert wurde der Merkantilismus durch den Siegeszug des Freihandels abgelöst. Großbritannien leitete ab 1846 mit der Abschaffung der Zölle eine „Freihandelsrevolution“ ein, welche offene Märkte, weniger staatliche Eingriffe und multilaterale Handelsbeziehungen förderte. Das heutige globale Handelssystem ist ein Erbe dieser Zeit: Nach 1945 griffen die USA bei der Gestaltung der internationalen Wirtschaftsordnung bewusst auf das britische Freihandelsmodell zurück. Die aktuelle Rückkehr der USA zu protektionistischen Maßnahmen verdeutlicht, dass die konfliktgetriebene Logik des Merkantilismus auch im 21. Jahrhundert wieder an Bedeutung gewinnen kann. Damit rücken zwangsläufig auch die selbstschädigenden Effekte einer solchen machtpolitischen Strategie in den Fokus: Zölle und Handelsbarrieren mindern den Wohlstand, da sie Spezialisierung, Produktivitätssteigerungen und offene Märkte behindern. Die Lehre der Geschichte ist eindeutig: Zölle sollten nur gegen konkrete geopolitische Gegner eingesetzt werden, da sie letztlich Instrumente des Konflikts und nicht des Wohlstands sind. Friedensund Wachstumsphasen waren stets eng mit Offenheit und Freihandel verbunden – protektionistische Maßnahmen hingegen mit Wohlstandsverlusten und Instabilität.
AUSWIRKUNGEN AUF INFLATION UND WACHSTUM
Ohne Zweifel birgt die Abkehr der Trump-Administration vom Freihandel erhebliche Risiken für eine Rezession und Stagflation. Die forcierte Abschottung der US-Wirtschaft ist höchstwahrscheinlich kontraproduktiv und wird negative fiskalische sowie angebotsseitige Schocks auslösen, die das Wirtschaftswachstum nachhaltig schwächen kann. Parallel dazu erhöhen Zölle den inflationären Druck. Investoren sollten sich vor Augen führen, dass eine hohe Inflation in Verbindung mit einem schwachen oder stagnierenden Wachstum – also Stagflation – eine toxische Mischung darstellt, die durch geopolitische Unsicherheiten weiter verschärft wird. Theoretisch könnte die US-Notenbank die Inflation zwar durch Zinserhöhungen eindämmen, doch dies erscheint angesichts der zunehmenden Polarisierung des politischen Systems in den USA unwahrscheinlich. Der öffentliche Disput zwischen Trump und dem Notenbankchef Jerome Powell erschwert die zukünftigen Entscheidungen der Währungshüter zusätzlich. Sollte es Trump gelingen, Powell vorzeitig aus dem Amt zu drängen, wäre die Unabhängigkeit der Notenbank obsolet und das Vertrauen in das amerikanische Finanzsystem könnte weiter erodieren. Sollte die Trump-Regierung hingegen zur Einsicht kommen, dass die von ihnen eingeführte Zollpolitik den USA Schaden und in diesem Ausmass langfristig nicht tragbar ist, kann eine Reduktion dieser Handelsbarrieren ein Szenario hervorrufen, in welchem die oben genannten Effekte abgeschwächt auftreten – die Weltwirtschaft würde sich «durchmogeln». Ob der entstandene Vertrauensverlust aber schnell wieder zurückkehren wird, ist fraglich.
DOLLAR UNTER DRUCK: VERLIERT DIE WELT IHRE SICHERE WÄHRUNG
Schon heute gerät die Rolle des US-Dollars als weltweit führende Reservewährung und sicherer Hafen angesichts zunehmender geopolitischer Instabilität unter Druck. Die „exorbitanten Privilegien“, die die USA seit dem Zweiten Weltkrieg geniessen – etwa stabile Kreditratings trotz steigender Verschuldung und die Wahrnehmung des US-Dollars als risikofreie Anlage – sind zunehmend gefährdet. Die Abkehr der USA von multilateralen Abkommen hin zu bilateralen Verhandlungen sowie der radikale Fokus auf die Resilienz der US-Produktion untergraben jene liberale Ordnung, die lange Zeit die Dominanz des Dollars sicherte.
Die deutliche Abwertung des Dollars in diesem Jahr hat Investoren veranlasst, US-Anlagen zunehmend kritisch zu hinterfragen. Wachsende Zweifel an der Robustheit der US-Wirtschaft und ein unberechenbares politisches Umfeld beschleunigen diesen Trend und verstärken die Abkehr vom Dollar. Die Befürchtung eines „Mar-a-Lago- Abkommens“ – einer inkohärenten Politik zur gezielten Schwächung des Dollars, um kurzfristige Produktionsvorteile zu erzielen – untergräbt das Vertrauen in den Markt für US-Staatsanleihen und verstärkt die allgemeine Unsicherheit. Infolgedessen steigt das Risiko, dass US-Staatsanleihen ihren Status als global sicherer Hafen verlieren, was zu einem weiteren Wertverlust des Dollars und einer Ausweitung der Zinsdifferenz zwischen kurz- und langfristigen Laufzeiten führt – da Investoren höhere Risikoaufschläge verlangen.
Obwohl das Interesse an Alternativen wie Gold oder einem paneuropäischen „Safe Asset“ gestiegen ist, mangelt es aber weiterhin an praktikablen und ausreichend liquiden Alternativen zum US-Dollar. Selbst bei aktuellen Höchstständen verfügt Gold nicht über die nötige Liquidität und den Umfang, um den Dollar im globalen Finanzsystem zu ersetzen, während Vorschläge für sichere europäische Anleihen auf erhebliche politische und strukturelle Hürden stoßen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass der Status des Dollars als sicherer Hafen in naher Zukunft durch eine realistische Alternative abgelöst wird.
Das Kernproblem ist, dass nur Vermögenswerte, die durch tiefe, liquide Finanzmärkte untermauert werden, eine tatsächliche Vormachtstellung als “sichere Anlage” erlangen können. Die Führungsrolle im globalen Finanzwesen hängt weniger vom BIP oder Handelsanteil ab, sondern vielmehr von einem enormen, homogenen Angebot an staatlich garantierten Anleihen, die als geopolitisch sicher gelten. Derzeit fehlt es sowohl China als auch Europa an der erforderlichen Markttiefe und Liquidität, um die Dominanz des Dollars ernsthaft in Frage zu stellen.
Beunruhigend an der Debatte um sichere Anlagen ist nicht nur der Mangel an Alternativen, sondern vor allem die strukturellen und politischen Hürden, die glaubwürdige Herausforderer des Dollars verhindern. Diese würden erst mit einem fundamentalen geopolitischen Zusammenbruch verschwinden. Die Geschichte zeigt, dass militärische Großkonflikte oft den Anstoß für Verschiebungen in der globalen Währungsdominanz gaben – vom niederländischen Gulden zum Pfund Sterling und vom Pfund Sterling zum US-Dollar. Nach 1945 akkumulierten die USA den größten Bestand an sicheren Staatsanleihen und festigten so die Vormachtstellung des Dollars. Militärische Konflikte sind daher von entscheidender Bedeutung, da sie das Ausfallrisiko neu bewerten und bestehende Liquiditätspools stören. Krieg führt zu erzwungenen Schuldschnitten und erst dadurch wird eine Neuausrichtung resp. eine mögliche Alternative denkbar.
STAGFLATION, REZESSION ODER DOCH UMKEHR ZUR NORMALITÄT –
WO FINDEN ANLEGER ATTRAKTIVE ANLAGEN IN DIESEN UNBESTÄNDIGEN ZEITEN
In einer wissenschaftlichen Studie von Baltussen, Swinkels und van Vliet („Investing in Deflation, Inflation, and Stagflation Regimes“) wurden die Renditen verschiedener Anlageklassen über einen Zeitraum von 1875 bis 2021 in unterschiedlichen Inflationsphasen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Aktien als auch Anleihen während Phasen hoher Inflation (Inflation > 4 %) keine positiven Realrenditen, also Renditen nach Abzug der Inflation, erzielen konnten. Besonders in Zeiten von Stagflation, wenn hohe Inflation mit einer Rezession einhergeht, fielen die Realrenditen von Aktien mit durchschnittlich -16,6 % und von Anleihen mit -4,4 % besonders negativ aus. Ein klassisches Multi-Asset- Portfolio aus Aktien und Anleihen schnitt in solchen Phasen mit einer durchschnittlichen Realrendite von -11,7 % ebenfalls schwach ab. Für Investoren bedeutet dies, dass klassische Portfolios in inflationären oder stagflationären Phasen erheblichen Belastungen ausgesetzt sind. Welche Anlagealternativen gibt es?
Während passive Aktien ETFs aufgrund ihrer marktkapitalisierten Gewichtung den unbeständigen ökonomischen Gegebenheiten voll ausgeliefert sind. Gibt es Sektoren und Unternehmen, welche in Zeiten von steigenden Preisen und abnehmendem Wachstum, klare Vorteile aufweisen. Solche Vorteile findet man beispielsweise bei Unternehmen aus dem Versorgungsoder Materialien-Bereich. Auch Unternehmen, welche eine Marktführung in einem nicht-zyklischen Bereich besitzen, werden die gestiegenen Produktionskosten wohl an ihre Kunden weitergeben können. Gleiches gilt für Nischen-Anlagen wie beispielsweise Dividenden- Futures, da diese zu einem strukturellen Abschlag gekauft werden können. Dieser schützt die positive Realrendite vor potenziellen Dividendenkürzungen.
Dazu gelten Rohstoffe als robuste Absicherung gegen den zunehmenden Stagflationsdruck, das schwindende Vertrauen in traditionelle sichere Anlagen und die eskalierenden geopolitischen Risiken. Während Gold im Vergleich zu anderen Rohstoffen – von denen viele in der Disinflations-Ära vor der Trump-Präsidentschaft an Wert verloren haben – nach wie vor hoch bewertet ist, erscheinen strategische Ressourcen wie Energie angesichts der wachsenden geopolitischen Unsicherheiten und potenzieller Konflikte deutlich unterbewertet. Mit dem beginnenden Rückgang der Globalisierung und steigenden Handelsrisiken werden etablierte Lieferketten für Öl und andere zentrale Rohstoffe zunehmend anfällig für Störungen. Solche Unterbrechungen können die Preise selbst bei schwächerem globalem Wachstum in die Höhe treiben. Die wachsenden geopolitischen Turbulenzen dürften zudem dazu führen, dass die Preisschwankungen bei Rohstoffen künftig häufiger und ausgeprägter ausfallen.
Während Rohstoffe in schweren deflationären Krisen wie der Großen Depression schwach abschnitten, erzielten sie in inflationären Phasen der Deglobalisierung – etwa zwischen 1902 und 1921 – außergewöhnlich hohe Renditen. Dies verdeutlicht ihren besonderen Wert als Diversifikationsinstrument und wirksamen Schutzmechanismus in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie heute.

